Berichte

Die nächste Generation

Der 9. Rheinische Junglandwirtetag war ein voller Erfolg

3. und 4. März 2017

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Über 90 Junglandwirtinnen und Junglandwirte kamen am Freitag vergangener Woche nach Kempen, um am 9. Rheinischen Jung-landwirtetag teilzunehmen. „Es ist toll, in so viele junge Gesichter zu schauen“, fand auch Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV), der die Veranstaltung eröffnete. Für die hohe Teilnehmerzahl sorgte nicht zuletzt das spannende Thema der Gemeinschaftsveran-staltung von RLV, Landesarbeitsgemeinschaft der Landjugend Nordrhein (LAG) und der Rheinischen Landjugend: „Hofnachfolge – wir übernehmen!“
Wie man es macht Die Betriebsnachfolge richtig angehen – wie genau geht das? Dieser Frage stellte sich geballte Kompetenz in Form von Rainer Friemel, dem Leiter der Rechtsabteilung des RLV, und Ralf Stephany, Geschäftsführer der PARTA Buchstelle für Landwirtschaft und Gartenbau Bonn. Während Friemel die Betriebsnachfolge aus rechtlicher Sicht betrachtete, gab Stephany Einblicke in steuerliche Sachverhalte. „Ein landwirtschaftlicher Betrieb fällt immer nur einem zu. Wir nennen das auch das Highlander-Prinzip: Es kann nur einen geben“, schmunzelte Friemel. Umso wichtiger, die Sache richtig anzugehen. Der Rechtsanwalt informierte die jungen Zuhörer über gesetzliche Erbfolgen, die Erbengemeinschaft als „Konstrukt auf Zeit“ und die Höfeordnung. „Viele Probleme, die bei einer Hofübergabe auftauchen, könnten eigentlich vermieden werden“, erklärte Friemel. Gerade der Punkt Hofübergabever-trag, bei dem der Erbfall sozusagen „vorgezogen“ werde, müs-se genauestens geregelt sein. „Das Ganze soll ja schließlich konfliktarm und friedlich ablaufen. Bei allen Absprachen gilt: Ein Notar ist Pflicht!“ „Steuern sind nicht per se etwas Böses“, schmunzelte Stephany zu Beginn seines Vortrags. „Sehen Sie es so: Je mehr Sie zahlen, desto besser läuft das Geschäft“, erklärte er weiter. Für ihn gilt bei einer Betriebsübergabe eine Sache besonders: „Reden Sie mit Ihren Eltern und Geschwistern, und zwar frühzeitig. Lassen Sie sich beraten und gehen Sie die Übergabe aktiv an. Für den Steuerberater ist es wichtig, ein Ziel von Ihnen zu bekommen. Das heißt, was genau übergeben werden soll.“ Denn bei einer Betriebsübergabe im Ganzen müssen das nicht die kompletten Flächen sein. „Die Eltern können 10 % der Flächen einbehalten. „Für die Psyche ist das manchmal ganz gut. Die Eltern fühlen sich sicherer“, erklärte Stephany. Die anwesenden Junglandwirtinnen und Junglandwirte zeigten sich sehr interessiert an den beiden Vorträgen, nicht zuletzt auch messbar an den vielen Nachfragen und Schilderungen eigener Erfahrungen.
Innovative Ideen Traditionell kommen beim Rheinischen Junglandwirtetag auch immer junge Landwirtinnen und Landwirte zu Wort, die von ihren eigenen Höfen berichten und besondere Konzepte vorstellen. Den Anfang machte Carsten Göbels vom Lentholter Hof in Erkelenz. Nach der Ausbildung zum Landwirt und dem Besuch der Meisterschule in Köln-Auweiler hat der junge Landwirt im Jahr 2015 einen Vieh- und Fleischhandel übernommen. Auf dem Lentholter Hof werden Sauen, Ferkel und Mastschweine gehal-ten. Die Vorteile seines Systems liegen für ihn auf der Hand: „Unsere Ferkel haben keinen Transportstress, wir bie-ten ein größeres Platzangebot, haben kurze Wege zum Schlachthof und eine 8-stündige Ruhephase vor der Schlach-tung.“ Göbels liefert mit seinen Fahrzeugen mehrmals in der Woche selbst aus, jedoch stehen nicht nur Metzgereien auf seiner Kundenliste. „Wir beliefern auch Gaststätten mit Teilstücken und verkaufen Schlachtpakete. Dazu gehört auch die Vermietung eines Grills samt Spanferkel. Nur zwei Wochen, nachdem wir das eingeführt hatten, war der Grill be-reits für ein halbes Jahr ausgebucht“, freute sich der Erkelenzer. Um für ausreichend Werbung zu sorgen, hat er eine Werbeagentur engagiert. Flyer, eine Website mit Metzgerliste sowie Werbung auf den Fahrzeugen sorgen für die gewünschte Wirkung in der Öffentlichkeit. „Was ihr hier seht, so lachen wir von der Eierverpackung runter“, eröffnete Wilhelm Püllen vom Hermannshof in Nörvenich seinen Vortrag, indem er ein Foto der vier Betriebsin-haber zeigte. Das sind zum einen er und seine Frau sowie seine Eltern. Was mit einem Betrieb und 300 Legehennen an-fing, sind jetzt zwei Betriebe mit über 27 000 Legehennen und Kartoffelanbau. „Wir vermarkten rein ab Hof“, erklärte der Di-plom-Agraringenieur. Die Themen Betriebsübergabe und Füh-rung eines Familienbetriebes sind ihm nicht fremd. „Manchmal ist es schwierig als Familienbetrieb, es hat aber auch Sy-nergieeffekte. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass man im-mer sachlich argumentiert und gut mitei­nan­der umgeht. Und manchmal ist Betrieb eben Betrieb und Familie Familie“, schmunzelte Püllen. Ideenmangel sei, was die Entwicklung des Betriebes angeht, bislang nicht der „begrenzende Faktor“, erzählte er weiter. „Als weitere Projekte stehen eine Verbesserung der Werbung und Vermarktung an.“ Dass sie als Betriebsleiter bereits sehr offen auf Wünsche und Fragen ihrer Kunden eingehen, zeige ihr Projekt „Stolze Hähne, spitzer Schnabel“. „Wir haben versuchsweise die sogenannten Bruderhähne aufgezogen, weil Kunden oft danach gefragt haben, und das Fleisch dann im Hofladen angeboten. In die Eierkartons kamen Zettel, die für das Projekt geworben haben.“ Wie man mal einen hautnahen Blick über den Tellerrand hi­naus bekommen kann, erklärte Matthias Neußen. Der gelernte Landwirt, der gerade seinen Master in Göttingen absol-viert, hat zwei Monate lang auf einem kanadischen Ackerbau-betrieb gearbeitet. Dabei wurde er von der Schorlemer Stif-tung unterstützt. „Ich habe mein Praktikum auf der South Grandy Farm absolviert. Die Farm liegt in Kanada, nahe der Grenze zu den USA“, erklärte der 24-Jährige. In die Aufgaben auf dem Betrieb wurde er voll miteinbezogen. „Vom Säen bis Dreschen und Striegeln war alles dabei. Besonders beein-druckt hat mich der große Fuhrpark.“ Manche Sachen waren ihm aber auch neu. „Es gibt dort keine Müllabfuhr, wie wir das kennen. Es wird einfach alles gesammelt und verbrannt. In jeder Ecke standen alte Maschinen, weil sich der Transport zum Schrotthändler nicht lohnt.“ Neben der Arbeit rundeten private Unternehmungen das Praktikum ab. Wahre Bilder „Landwirtschaft ist bunt, nicht alles ist schwarz“ – Nadine Henke, „Ceres award„-Gewinnerin, gelernte Tierärztin und Schweinehalterin aus Niedersachsen, ist ein Beispiel dafür, wie gute Öffentlichkeitsarbeit aussieht. Sie ist außerdem Mitbegründerin der Facebook-Seite „Bauernwiki – Frag doch mal den Landwirt“.
In ihrer After-Dinner-Speech motivierte sie die jungen Zuhörer, mutiger zu werden und mehr Zeit in die sozialen Medien zu investieren. „Bei uns ist jeder eingeladen, in den Stall zu kommen. Wir machen mit beim Konzept ‚Bauer trifft Besucher‘, beim Tür-öffnertag und berichten von unserem Alltag über Facebook und Twitter“, erklärte Henke. Über 200 Besucher führt sie jedes Jahr durch den Stall. „Doch ich denke, da geht noch mehr! Auf Facebook habe ich 10 000 Leute, die ich an einem Tag erreichen kann.“ Und das schafft sie auch. Jedoch keineswegs mit geschönten Bildern, die die Verbraucher bloß nicht er-schrecken. Nein, bei ihren Beiträgen sind auch mal unschöne Bilder dabei. Ein missgestaltetes Ferkel, das getötet werden muss, ein Blick in die Kadavertonne oder eine kranke Sau. „Ich zeige Bilder, die vorkommen, aber nicht so schön sind. Ich lasse die Leute aber nicht mit den Bildern alleine, son-dern erkläre sie, bevor sich jemand etwas zusammenstrickt. Ich bin damit schwer anzugreifen.“ Auch bei ihr sei es schon zu einem Einbruch gekommen. Jemand hatte böswillig die Was-serhähne aufgedreht, sodass die Tiere in der Gülle standen. „Ich habe sofort ein Foto davon gepostet und damit agiert statt reagiert. Ich habe nie wieder etwas davon gehört.“ Henke empfahl den Zuhörern, sich auf Facebook einzumischen, Facebook-Kommentare zu liken, damit sie oben bleiben, und auch mal selbst eine kleine Pressemitteilung zu schreiben. „Journalisten freuen sich über ein paar Sätze mit einem schönen Foto und drucken es ab.“ Henke zeigt, wie man als Landwirt tolle Öffentlichkeitsarbeit machen kann. Auch wenn es Zeit kostet, die Expertin weiß: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Marilena Kipp Sebastian Dückers, Nadine Henke und Karl-Josef Walmanns auf der Suche nach Machern



Text: Marilena Kipp

Bilder: Marilena Kipp

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